Biologie des Kultur-Champignons

Reich der Pilze - Champignon im Wald mit Schnecke auf Hut

Die Pilze bilden einen Teil der Pflanzenwelt, der seit Jahrhunderten das besondere Interesse der Botaniker, Land- und Forstwirte, Mediziner und Gärungschemiker auf sich lenkt. Nicht nur auf die Vielfältigkeit des Reiches der Pilze, das sich von den Hefe- und Schimmelpilzen bis zu den höher entwickelten Speisepilzen des Waldes erstreckt und besonders die Botaniker und Naturfreunde interessiert, sondern auch auf die vielfache Bedeutung der Pilze für die Human- und Veterinärmedizin, die Nahrungs- und Genußmittelindustrie und die Land- und Forstwirtschaft sein in diesem Zusammenhang erwähnt.

Die höher entwickelten Pilzarten bilden ein verzweigtes System einzelner Zellfäden. Dieses meist weiße Geflecht wird als „Myzel“ bezeichnet. Unter abgestorbenem Laub, im Wald- und Wiesenhumus, im vermorschenden Holz ist es unschwer zu entdecken. Diese Myzelien durch wuchern die abgestorbene Pflanzenstruktur und entnehmen ihr daraus die für ihr Wachstum und ihre Entwicklung erforderlichen Nährstoffe. Andere Pilze entwickeln sich an lebenden Pflanzenteilen und entziehen diesen die Nährstoffe.
Champignon im Wald mit Fliegen

Die ausschließlich von abgestorbener pflanzlicher oder tierischer Substanz lebenden Pilzarten bezeichnet man als Fäulnisbewohner. Zu ihnen gehört auch der Champignon. Die Gattung Champignon, mit der botanischen Bezeichnung Agaricus, tritt in einer Vielzahl von Arten auf Wiesen und Weiden, an Mistplätzen, in Gärten und Wäldern auf. Die meisten von ihnen sind hochwertige Speisepilze, lassen sich jedoch nicht ohne weiteres kultivieren. An Stellen, wo halbverrotteter Dung liegengeblieben ist, kann man jedoch eine Art finden, die sich leicht kultivieren lässt und die botanischen Bezeichnung „Agaricus bisporus“ trägt. Sie wurde in Kultur genommen. Im Laufe von Jahrzehnten entstanden zahlreiche Stämme, die sich äußerlich, besonders in der Farbe des Hutes voneinander unterscheiden. Aus ihnen entwickelten sich unter der Hand des Züchters die verschiedenen Sorten des Kulturchampignons.
Kulturchampignon Agaricus bisporus

Auch die Entwicklung dieses Pilzes beginnt mit der Ausbildung eines bisweilen filzartigen, häufig auch fadenartigen Geflechts von bläulich-weißer Färbung und charakteristischem angenehmen Duft. Dieses wächst und entwickelt sich in einem geeigneten Nährboden und bei ausreichender Feuchtigkeit und Wärme zügig. Bei allen höher entwickelten Pilzarten, so auch beim Champignon, werden von diesem Pilzgeflecht (Myzelium) charakteristische Fruchtkörper gebildet, die beim Champignon und vielen anderen Arten in „Hut“ und „Stiel“ gegliedert sind. Während der Stiel des Champignon-Früchtkörpers immer weiß ist, hat die Hutoberseite je nach der vorliegenden Sorte eine braune, hellbraune, cremefarbene, cremeweiße Färbung oder erstrahlt in einem typischen reinen Weiß. Die Hutunterseite, die bei den jungen Fruchtkörpern zunächst durch ein Häutchen zwischen Hutrand und Stiel verdeckt wird, zeigt nach dem Aufreißen dieses Häutchens mit zunehmender Ausreifung der Pilze zunächst eine rosa, später rotbraune bis dunkelrostbraune Färbung.
Pilzgeflecht Myzelium im Erdboden

An den Fruchtkörpern werden die Sporen ausgebildet. Sie sind die Keimzellen für neues Pilzwachstum und haben etwa dieselbe Funktion für neues Pilzwachstum und haben etwa dieselbe Funktion wie die Samen unserer grünen Kulturpflanzen. Wenn man unter einen ausreifenden, seinen Hut öffnenden Fruchtkörper ein Stück weißes Papier legt, kann man nach ein paar Tagen feststellen, dass auf dem Papier ein ganz feiner Staub liegt, der aus Millionen winziger Sporen besteht und die gleiche rostbraune Farbe hat wie die Lamellen an der Hutunterseite des sich inzwischen völlig geöffneten Fruchtkörpers. An diesen Lamellen werden die Sporen ausgebildet. Nur ein winziger Bruchteil von ihnen findet unter natürlichen Bedingungen die Vorraussetzung (Nährboden, Klima usw.) die zur Keimung der Sporen und zur Bildung eines neuen Pilz-Myzels erforderlich sind.

Die Champignonzüchter haben im Verlauf von Jahrzehnten Methoden entwickelt, mit deren Hilfe sie die Sporen unter Laboratoriumsbedingungen zur Keimung bringen. Das sich entwickelnde Myzel vermehren sie weiter, übersetzen sie auf geeingente Nährböden und bringen diese, wenn sie völlig vom Myzel durchwachsen sind, als sogenannte Champignonbrut in den Handel. Der Champignonanbauer übersetzt mit dieser Pilz-Brut seine Kulturbeete aus dem vom ihm vorbereiteten Nährsubstrat, in denen dann das Myzelium aus der Champignonbrut herauswächst und das neue Nährsubstrat „durchspinnt“. Nach etwa drei bis vier Wochen sind die Beete völlig vom Champignonmyzel durchzogen. In der Zwischenzeit hat der Champignonanbauer die Beetoberfläche mit einer etwa 3 cm starken Schicht einer geeigneten Erdmischung bedeckt. Wenige Tage später wächst bereits das Pilzgeflecht in diese Erdschicht hinein, und es bilden sich darin die ersten Fruchtkörperanlagen. Etwa 5 Wochen, nachdem der Anbau die Beete angelegt und die Myzele eingesetzt (beimpft) hat, ist dieser Zeitpunkt erreicht, und bereits nach einer weiteren Woche kann er die ersten Champignons ernten. Nachdem die meisten der ersten herangereichten Fruchtkörper geerntet wurden, bilden sich bereits wieder neue Fruchtkörper aus. Dieser Vorgang wiederholt sich dann im Verlauf von etwa acht bis zwölf Wochen ständig, so dass während dieses Zeitraumes kontinuierlich geerntet werden kann. Dann ist die Ertragsleistung der Beete erschöpft, die Anzahl der sich erneut bildenden Fruchtkörper wird immer kleiner und schließlich hört die Ertragsbildung gänzlich auf. Die Kultur ist nun beendet, liefert jedoch in Form des abgetragenen Champignonsubstrats noch einen wertvollen Humusdünger.
weiße Champignon Fruchtkörperanlage

Diese Entwicklung ist natürlich nur unter günstigen klimatischen Vorraussetzungen möglich. Sie vollzieht sich gänzlich unabhängig vom Licht. Demzufolge kann man in einem dunklen Keller ebenso gut Champignons kultivieren wie in einem hellen Gewächshaus. Für die Stoffwechselprozesse des Champignons und der meisten Pilzarten hat das Licht keine Bedeutung.
große Champignons im Wald

Indem der Champignonanbauer also alle Voraussetzungen für eine normale Entwicklung schafft, unter denen sich der Champignon der Art „Agaricus bisporus“ unter natürlichen Verhältnissen entwickelt, wird er zum „Pilzgärtner“.